Asche einer rotfarbigen Kuh und deren Verwendung
Ich sollte es gleich zu Anfang sagen
Ich sollte es gleich zu Anfang sagen: ich habe nichts zu schreiben.
Nicht, das es nichts zu schreiben gäbe, das weiß ich
nicht, wie könnte ich es auch wissen, nur ich, ich habe nichts zu schreiben.
Das wäre an sich auch nicht tragisch, schreiben oder nicht schreiben, tragisch
ist nur, das ich, oder vielleicht besser gesagt, irgend etwas in mir, sich
anmaßt, schreiben zu müssen, obwohl ich überhaupt nichts zu schreiben weiß. Ich
halte mir gewissermaßen selbst die Pistole vor die Brust und verlange etwas von
mir, was ich gar nicht besitze. Und wenn ich mich nicht wirklich vom Gegenteil
überzeugen könnte, wenn ich nicht wirklich in den Büchern nachschauen könnte,
und ich muß es immer wieder tun, den nichts ist hier sicher, so würde ich
sagen, das, wonach ich suche, gibt es gar nicht. Man wird sagen, und auch ich
sage es, ich suchte nicht richtig, es ist nicht leicht zu finden, es erfordert
viel Anstrengung, und wann hätte ich mich je schon angestrengt. Doch sobald ich
anfange zu suchen, anfange zu graben, nach einer Geschichte, einer Erzählung,
einem Roman gar, erfaßt mich eine überdimensionale Leere. Da ist nichts
dergleichen. Nicht einmal ein Rattenschwanz, an dem ich mich festhalten könnte.
Ich bin unfähig, nein, schon mit jedem Gedanken, mit meiner ganzen Person
verneine ich die Möglichkeit eines solchen Tuns. Welche Geschichte könnte ich
erzählen, auf welcher Galerie könnte ich herum tanzen, wo ist mein Ivan, mein
Wilhelm, mein Viktor? Es ist nichts dergleichen, ich kann mir nicht im
mindesten vorstellen, was man tun müßte, wie es geschehen konnte, das sie auf
einmal da waren. Wie, woher sind sie gekommen? Und wenn ich dann zu der
Erkenntnis gelange, dass es so etwas in mir mit Sicherheit nicht gibt, gar nicht
geben kann, da sich alles in mir diesem widerstrebt, so glaube ich schon gar
nicht mehr an solche Sachen. Doch hilft mir das auch nicht weiter. Was hätte
ich von der Erkenntnis, Schreiben, Literatur, so etwas gäbe es nicht mehr.
Würde es mir helfen, wenn der liebe Gott mir sagen würde, schreiben, das ist
vorbei, das war einmal? Ich wäre doch nicht einmal einer jener Figuren, die
dann mit dem Bleistift in der Hand über ihrem Heft erstarren würden.
Die Katze
Die Katze frißt den Hund. Die Maus jagt den Tiger.
Das Meerschweinchen läuft den Berg hoch. Die Uhr zeigt fünf. Vor dem
Hoteleingang hält ein Taxi. Ein schwarzer Mann mit rotem Hut steigt aus. Eine
Wolke schiebt sich vor die Sonne. Es regnet. Die Menschen in den Straßen, auf
den Plätzen, laufen davon. Die Regentropfen prasseln auf den Asphalt. Der
Asphalt dampft. Die Katze legt sich in die Ecke. Die Maus streichelt den Tiger.
Das Meerschweinchen schaut fern. Die Uhr macht piep. Der Hoteleingang ist leer.
Der schwarze Mann hat seinen Hut abgelegt. Es regnet nicht mehr. Auf dem
Asphalt Schritte. Im Naß der Straßen spiegelt sich der Hund.
Der Stift
Der Stift sengt sich auf das Papier, bewegt sich
auf und ab: Schrift. Die Gefühle sind ausgetrocknet, alles leer: zurück bleiben
Wörter, Wörter, ... . Von Wörtern
umringt. Kreisen munter um einen herum. Sich einem Wort nähern, Vogelweide,
sich anschleichen, es ertappen; sich ertappen. Er sitzt in seinem Zimmer. Er
weiß nichts zu tun. Er versucht zu schreiben. Ein paar Zeilen, er weiß nicht
weiter, er versucht zu lesen, ein paar Zeilen, er weiß nicht weiter. Jetzt, in
diesem Moment, gibt es drei Möglichkeiten. Er ist müde, er geht schlafen. Er hat
Hunger, er ißt noch etwas. Er ist weder müde noch hungrig: Er geht spazieren.
Er geht durch die Straßen. Er schaut die Straße entlang. Er sieht Menschen,
Häuser, ... . Er geht an Menschen, Häusern, ... vorbei. Welche Wörter bleiben
übrig, wenn alles verloren ist? Alles schwebt und wir blasen dem anderen unseren
Atem ins Gesicht. Über der Vogelweide, hoch im Himmel, da wo niemand mehr Angst
hat. Wörter, die allen Ballast abgeworfen haben, suche sie, los, suche sie.
Wörter, am Himmel, Wörter.
Drei Wecker
Heute hatte ich wieder einen aufregenden Traum
gehabt. Thomas, mein Zimmernachbar, läßt so ab sechs, vielleicht sogar
halbsechs, seine Wecker klingeln. Normalerweise seinen elektronischen Wecker
und seinen Radiowecker. Die Wecker klingeln dann meistens so eine Stunde lang,
bis er dann aufsteht und sie ausschaltet. Das ist zwar ärgerlich, doch sind
die beiden Wecker nicht allzu laut, so daß ich sie schon gar nicht mehr höre.
Doch gestern muß Thomas sich einen neuen Wecker
zugelegt haben, der etwas lauter als die beiden anderen Wecker klingelt. Und so
bin ich heute morgen, ich weiß nicht wann, von dem Lärm dieser drei Wecker aufgewacht.
Aufgewacht ist vielleicht nicht das richtige Wort, irgendwie merkte ich im
Reich zwischen Schlaf und Wachsein, dass da ein neuer Wecker war und ich aufstehen
wollte, um mich zu beschweren. Aber irgend etwas in mir wollte das nicht und so
fing ich an zu träumen.
Ich träumte, es wäre zwei Uhr nachts, in Thomas
Zimmer wüteten die Wecker und ich ging hinüber, um mich über die Ruhestörung zu
beschweren. Aber Thomas lachte nur. Also mußte ich mich anders wehren. Zuerst
schaltete ich mein Radio ein und drehte es auf volle Lautstärke, in der
Hoffnung, das Thomas, der, was die Hausordnung angeht äußerst korrekt ist,
nachgeben würde. Aber Thomas lachte weiterhin. Dann drohte ich, die Polizei anzurufen,
was schon mehr Eindruck machte. Als ich dann wirklich mit der Polizei sprach,
schaltete er das Radio aus und ich sagte der Polizei es hätte sich erledigt. Aber
dann faßte Thomas wieder Mut, schaltete das Radio wieder ein und rief voller
Überheblichkeit, ruf die Polizei doch an, ruf sie doch an. Ich sah ein, das
auch das nichts mehr nützen würde. Ich sann auf Rache und drohte, das ich eines
Nachts ganz fürchterlichen Lärm machen würde. Auch das nützte nichts, mir fiel
nichts mehr ein und so konnte dieser Traum mich nicht länger schlafend halten.
Ich wachte wieder auf, die drei Wecker klingelten immer noch; nun stand ich
nochmals auf, klopfte an Thomas Türe und der Spuk war vorbei.
Das Zimmer
Er saß auf einem Stuhl. Seine Beine waren
angewinkelt, der Rücken angelehnt, seine Hände im Schoß. Sein Atem war ruhig
und tief. Hin und wieder bewegte er seinen Kopf. Er schaute auf die Wände, in
den Raum. Es gab nichts zu sehen. Der Raum war weiß. Ein paar Linien, die sich
trafen, um wieder auseinanderzulaufen. Er streckte seine Beine. Es war ein
großes Zimmer. Alles war weiß. Der Stuhl, auf dem er saß, war schwarz.
Ein schöner Stuhl. Er stand auf. Er ging auf die vordere Wand zu. Er
blieb stehen. Er schaute die Wand an. Er legte seine flache Hand auf die Wand.
Die Wand war kühl. Er rieb mit seiner Hand auf der Wand. Er spürte ihre feine
Struktur. Er ließ ab. Er ging die Wand entlang. Bis zur Ecke. Er blieb einen
Moment stehen, drehte sich dann nach links, und ging langsam weiter. Er ging
auf die hintere Wand zu. Er ging die hintere Wand entlang. In der Mitte blieb
er stehen. Er setzte sich. Seine Füße waren ausgestreckt, die Hände berührten
den Boden. Er schaute nach vorn. Da war sein Stuhl. In der Mitte des weißen
Zimmers stand der Stuhl. Er schaute durch die Verstrebungen des Stuhls
hindurch. Er sah die gegenüberliegende Wand.